Interaktiver Kirchenführer
Station 8:
Luca Giordano
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Gemälde „Jesus fällt unter dem Kreuz“ von Luca Giordano
in der katholischen Pfarrkirche St. Bonifaz in Bad Windsheim
Der Künstler
Luca Giordano wurde vermutlich im Jahr 1632[1] in Neapel als Sohn des Malers Antonio Giordano geboren.
Sein Vater, der 1597 in Polignano in Apulien geboren wurde, ließ sich mit seiner Familie in Neapel nieder, wo er noch 1681 als 84jähriger lebte. Bereits Antonio Giordano hatte sich einen Namen als Kopist großer Maler gemacht.
Luca Giordano war Schüler seines Vaters und wurde 1665 Mitglied der Malergilde in Neapel. Ein Jahr später heiratete er Margherita d’Ardi. Über die Grenzen Neapels hinaus war er u.a. auch in Rom, Florenz, Venedig und Bergamo tätig. Im Jahr 1692 folgte er einem Ruf des spanischen Königs Carls II. nach Spanien. Dort angekommen wurde er nicht nur mit besonderen Ehren empfangen, sondern auch sehr bald zu dessen Hofmaler ernannt. Allein in seiner sogenannten spanischen Zeit entstanden 126 Gemälde. Seine Rückkehr nach Neapel erfolgte nach 10 Jahren über Genua, Florenz und Rom. In Rom selbst wurde Luca Giordano von Papst Clemens XI. ehrenvoll aufgenommen.
Dem Maler werden eine außergewöhnliche Phantasie, eine großartige Schaffenskraft sowie ein bemerkenswertes handwerkliches Können zugesprochen. Es war ihm möglich monumentale Flächen mit seinen Werken zu gestalten. Seine äußerst schnelle Arbeitsweise brachte ihm bereits zu Lebzeiten den Beinamen „Luca, fa presto“[2] ein, was mit „Luca, mach schnell“ übersetzt werden kann. Ebenso ist auch die Vielfältigkeit seiner Techniken zu erwähnen: neben Ölarbeiten auf Leinwand zählen auch Fresken auf Wandflächen dazu. Bei seinen Bildinhalten finden sich Stillleben, Portraits, Schlachtenszenen, aber auch Darstellungen heiliger und profaner Themen, ebenso wie Szenen der Mythologie. Man vermutet das Luca Giordano in seiner Schaffenszeit an die 5000 Ölgemälde angefertigte.
Bei all seinem Reichtum an Können und Kunstfertigkeiten muss jedoch erwähnt werden, dass Giordano keinen neuen individuellen Stil hervorgebracht hat, sondern vielmehr ein genialer Kopist der bedeutendsten Künstler war. Große Namen u.a. wie Pedro Ribera, Paolo Veronese, Pietro da Cortona sind neben den italienischen Meistern Jacopo Tintoretto und Raffael zu nennen. Aber auch deutsche Künstler wie Albrecht Dürer oder die alten Niederländer Peter Paul Rubens und Rembrandt Harmensz van Rijn dienten Luca Giordano als Grundlage seiner eigenen Interpretationen.
In diesem Punkt erinnert er an das Schaffen seines Vaters Antonio Giordano, der bereits als Kopist gerühmt wurde und seinen Sohn in diesem Handwerk unterrichtet hat.
Nach seiner Rückkehr nach Neapel kann man in seinen zahlreichen erhaltenen Werken eine weitaus hellere, lichtere Farbpalette erkennen, im Vergleich zu einer früheren eher dunklen gehaltenen Farbwahl. Die Einflüsse der venetianischen Malerei des 17. Jahrhunderts werden hier deutlich.
Mit Künstlern wie Luca Giordano und seinen Zeitgenossen Mattia Preti, Salvatore Rosa, Cavallino etc. entstand so im Italien des 17. Jahrhunderts neben den großen bedeutenden Kunstzentren Bologna und Rom nun eine dritte sich stetig entwickelnde künstlerische Szene. Giordano zählt zu den Hauptvertretern der „corrente neoveneziana“ in Neapel, die zeitgleich bereits in Rom durch große Künstler wie der schon genannte Cortona eingeleitet worden war.
Am 12. Januar 1705 verstarb Luca Giordano in seiner Heimatstadt Neapel.
Bekannte Werke
Eine Auflistung aller bekannter Werke Luca Giordanos würde den hier gegebenen Rahmen bei weitem sprengen, daher soll nur eine kleine Auswahl aufgeführt werden.
Werke des Luca Giordano befinden sich heute u.a. in folgenden Museen:
- Athen, Nationalgalerie: „Esther und Ahasuerus“
- Madrid, Prado: „Allegorie des Friedens“
- München, Pinakothek der Moderne: „Christus und die Samariterin am Brunnen“
- Nepael, Museo Nationale: „Rosenkranzmadonna mit Heiligen“
- Paris, Louvre: Tod Senecas
- St. Petersburg, Eremitage: „Ruhender Bacchus“
- Wien, Gemäldegalerie: acht große Darstellungen aus dem Marienleben
Gemälde "Jesus fällt unter dem Kreuz"
Das großformatige Gemälde mit den Maßen 2,05 m Breite und 1,25 m Höhe wurde in Ölfarben auf Leinwand ausgeführt.
In der Mitte des unteren Bilddrittels ist die gebeugte, unter der schweren Last des Kreuzes dargestellte Figur des Jesus zu sehen. Mit seiner rechten Schulter stemmt er das Kreuz, sein linker Arm unterstützt zusätzlich diesen Kraftakt. Das Muskelspiel in seinem linken Oberarm lässt förmlich die Anstrengung Jesu erkennen. Sein Haupt wird von der Dornenkrone bekrönt. Zusätzlich wird sein Kopf von einem stark ausgeleuchteten Nimbus hinterfangen, der in seine hell ausgeleuchtete Rückenpartie förmlich übergeht. Er ist mit Vollbart dargestellt, sein Gesicht ist nach unten gerichtet. Rechts neben ihm blickt ein Hund[3] mit treuem Blick und zugleich mitfühlend zu ihm empor.
Links vom Kreuz ausgesehen sind die beiden Schergen in Rückenansicht zu erkennen, ihre Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Rechts neben ihnen läuft ein Soldat mit, der sich noch mal zum Betrachter umdreht und förmlich aus dem Bild herausschaut. Nur der behelmte Kopf dieses Soldaten ist dargestellt, sein restlicher Körper wird verdeckt. Vor der Schergengruppe reiten drei Soldaten voraus, auch diese sind nur in Rückenansicht gemalt. Sie tragen einen Helm und eine Fahne mit sich. Neben den Reitern sind weitere Soldaten anhand der nach oben gestreckten Lanzenspitzen auszumachen.
Direkt hinter dem Kreuz, unmittelbar neben den Schergen, stützt eine männliche Figur sich mit ihrem linken Arm auf den Querbalken des Kreuzes. In seiner rechten Hand hält er die Kreuzesnägel. Sein Kopf ist leicht nach oben gestreckt, sein Mund ist weit geöffnet. Direkt daneben ist ein alter Mann, ein Greis, mit bärtigem Gesicht zu sehen. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um Simon von Cyrene. In gebeugter Haltung scheint er Jesu mit dem Tragen des Kreuzes zu helfen.
Ihm gegenüber ist ein weiterer älterer Mann zu erkennen, der durch seine gebückte Haltung als zweiter Kreuzträger auszumachen ist. Auch an seiner Rückenansicht und seinem muskulösen Arm ist ebenfalls eine deutliche Kraftanstrengung abzulesen.
Überragt wird die Szenerie von einem prächtigen Schimmel, auf dem ein junger Soldat sitzt. Der Reiter wendet sich in Frontansicht dem Betrachter zu. Er trägt kostbare Gewänder und einen aufwendig gebundenen Turban. Mit seiner rechten Hand formuliert er einen Zeigegestus. Sein Kopf ist leicht nach oben gestreckt, so als wolle er über den Betrachter und die Kreuztragung selbst hinwegsehen. Der Schimmel hingegen schaut direkt aus dem Gemälde heraus und scheint regelrecht den Blick des Betrachters zu suchen.
Unterhalb des Reiters ist ein weiterer jüngerer Mann zu sehen, der gerade aus voller Wucht in ein Horn bläst. Er trägt einen Hut auf seinem Kopf. Direkt neben hat Luca Giordano eine weibliche Zweiergruppe ins Bild gesetzt, die zugleich das Gemälde nach rechts abschließt. Zu diesen zwei Personen gehört die Gottesmutter Maria, welche mit betenden Händen und schmerzvoll anmutenden Gesichtszügen ihren Sohn betrachtet. Mit ihrem grünfarbenen Mantel sticht sie deutlich aus der sonst in unterschiedlichen Brauntönen gehaltenen Darstellungen heraus. Begleitet wird Maria von einer jungen Frau mit gesticktem Haarschmuck, wohl Maria Magdalena. Dicht hinter den beiden Frauen erkennt man nur den weit nach oben gestreckten Kopf eines weiteren Mannes. Mit geöffnetem Mund und einem ängstlichen, mitfühlenden Blick scheint es als ob er versucht über die Frauengruppe hinweg einen Blick auf Jesu zu erhalten.
Resumee
Mit diesem Ölgemälde „Jesus fällt unter dem Kreuz“, welches Luca Giordano zugeschrieben wird, besitzt die katholische Pfarrkirche St. Bonifaz in Bad Windsheim ein Zeugnis der großartigen Barockmalerei Italiens des 17. Jahrhunderts.
Das vorliegende Thema hat man in der damaligen Zeit häufig aus dem Passionszyklus herausgenommen und es war auch bei anderen namhaften Zeitgenossen Giordanos üblich, diese Einzelszene darzustellen. Dadurch konnte jede einzelne Station des Kreuzwegs und somit der Leidensgeschichte Jesu eine ganz eigene, besondere Bedeutung verliehen werden.
Gerade bei diesem zu besprechenden Exponat besticht natürlich die Szene selbst, doch darüber hinaus trägt auch die monumentale Größe des Ölgemäldes zu dieser Ausstrahlung und Wirkung auf den Betrachter bei.
Ein gesonderter Punkt ist zudem das Licht- und Schattenspiel, welches vom großen Können des Malers zeugt. Giordano hat in dem gesamten Gemälde zahlreiche Lichtquellen eingefügt wie z. Bsp. der Nimbus und die Rückenpartie von Jesu, ebenso die Rückenansicht der beiden Schächer, das hellerleuchtete Gesicht des Hornbläsers oder die gefalteten Hände Mariens etc.. Betrachtet man die ganze Szenerie entsteht der Eindruck als seien viele verschiedene, nicht definierbare Lichtquellen verteilt. Das Gemälde erhält dadurch eine ganz eigene Dynamik, das teilweise diffuse Licht läst den Blick des Betrachters wandern und dadurch sehr tief in die Komposition eindringen. Zudem wirkt die dargestellten vierzehn Figuren sehr aktiv, jeder für sich und zugleich aufeinander abgestimmt und harmonisch. Ein starker Einfluss der Altniederländer wie Rembrandt und Rubens sind hierbei unverkennbar.
Auch die Farbkomponente ist bei Luca Giordano äußerst durchdacht, denn während sich das gesamte Gemälde in verschiedenen Braunnuancen modelliert ist, erhält die Gottesmutter Maria durch ihren hellen Teint und ihren grünfarbenen Mantel eine besondere Betonung. Sie schließt nicht nur das Gemälde nach rechts durch ihre Rückenpartie ab, sondern lädt zugleich den Betrachter ein und gibt eine gewisse Leserichtung vor. Sie setzt damit zur gebeugten Figur Jesu einen weiteren Akzent im Gesamtgemälde.
Das Bildpersonal besteht aus insgesamt vierzehn Figuren, die die Hauptperson Jesu umgeben, ihn begleiten, unterstützen, mitfühlen oder gar triumphierend den Zug begleiten. Jede Person agiert für sich und doch fügen sie sich alle in der Szene selbst ein. Das Exponat lädt den Betrachter, den Betenden, den Kirchenraumbesucher ein, vor dem Bild zu verweilen, einzutauchen in die Dynamik des Malerduktus. Durch die Vielzahl des Bildpersonals hat man genügend Möglichkeiten verschiedenen Sichtweisen und Positionen zu beziehen und sich somit aus unterschiedlichsten Blickwinkeln der Person und Situation Jesu zu nähern. Der Maler Luca Giordano hat damit ein Fülle an Eindrücken geschaffen, sich mit dem Fall Jesu unter dem Kreuz auseinanderzusetzen.
Abschließend lässt sich feststellen, dass dieses monumentale Ölgemälde mit der Darstellung „Jesus fällt unter dem Kreuz“ in all seinen Facetten die Bedeutung und den Stellenwert des Künstlers Luca Giordano unterstreicht und damit ein Primärzeugnis für die großartige Zeit der Barockmalerei Italiens darstellt. Das Werk zeugt von den verschiedenen Einflüssen, die im Schaffen und Wirken Giordanos unverkennbar existieren und stellt doch für sich selbst ein bemerkenswertes Gemälde da.
Literaturverzeichnis
- Bock, Geisemeier, Grosshans, Kelch (Hgg.): Gemäldegalerie Berlin: Gesamtverzeichnis/ Staatliche Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz. , Berlin, 1996.
- Hubala, Erich: Propyläen Kunstgeschichte. Die Kunst des 17. Jahrhunderts. Berlin, 1990.
- Gombrich, E.H.: Die Geschichte der Kunst, Hongkong,1995.
- Thieme, Ulrich und Becker, Felix: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Vierzehnter Band, Leipzig 1992.
- Wilckens, Leonie von und Naredi-Rainer, Dagmar und Paul: Grundriss der abendländischen Kunstgeschichte, Stuttgart, 2000.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Luca_Giordano
Julia Pracher, Kunsthistorikerin M.A.
Atelier für Konservierung und Restaurierung Pracher
Weingartenstr. 39 a
97072 Würzburg
Anmerkungen
[1] Es gibt zu seinem Geburtsjahr unterschiedliche Angaben. In der Literatur wird auch das Jahr 1634 als mögliches Jahr seiner Geburt genannt. Die Autorin bezieht sich auf Thieme, Ulrich Thieme, Ulrich und Becker, Felix: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Vierzehnter Band. Seite 75.
[2] Neben dieser Bezeichnung findet man in der Literatur auch die Bezeichnung „Fa presto“.
[3] Der Hund gilt als das klassische Treuesymbol in der Kunst.
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